Acht Heartlander im Salzwasser
Bolærne vom 20. bis 23. April 2006 aus der Sicht eines Mitgereisten
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Bericht von Nico Popp

Klar, ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Ollis tolle Aufnahme von Reiners feister Meerforelle, die erst an einem unserer Bindetage und später dann im Fliegenfischer veröffentlicht wurde, sagte ja doch noch mehr.

Dieses Bild schrie förmlich nach einer Clubtour auf die Bolærnes, einer kleinen (noch) relativ unbekannten Inselgruppe im Südosten Norwegens am Rande des Oslofjords. Sehr schnell waren 12 Heartlander infiziert, die Flüge gebucht und das Boot gechartert. Somit konnten wir uns ohne Zeitdruck an die Vorbereitungen zur allerersten Clubtour nach Norge machen. Bevor ich im Text jemanden ungewollt vergesse: Angetreten, sich dieser Herausforderung zu stellen, waren Knut Orlowski, Sven Pohl, Michael Winterberg, Oliver Rüther, Robert Pavlak, Peter Micknass, Andreas Lennig, Torsten Klagges, Markus Hartl, Ralf Fingerhut und unser Organisator Reiner Konrad. 11? Achso, ich war auch noch dabei.

Da es für die meisten von uns der erste Ausritt ins Salzwasser Norwegens war, standen erstmal das Aufrüsten des Ruten- und Schnurarsenals und die ersten Wurfübungen mit Schussköpfen im Vordergrund. Wer nicht das Glück hatte, wie Markus, auf die unerschöpflichen Vorräte von Ernst zurückgreifen zu können, konnte darüber hinaus noch seine Fähigkeiten im Binden von Tobis, Garnelen, Magnussen, Zulus, Fuzzys, Borstenwürmern und Tangloppen verfeinern.

Am 20. April 2006, mitten in der Nacht gings endlich los. Zum Glück hatte sich meine Fahrgemeinschaft unter Leitung des Meerforellendrivers Knut dazu entschlossen, mich als letztes einzusammeln, sodass ich noch ein paar Minuten länger von der Mutter aller Meerforellen träumen konnte (welche wie immer natürlich gerade an meiner Angel das Wasser schaumig schlug). Nichtsdestotrotz holten mich um Punkt halb vier drei Wecker  man will die Tour ja auf keinen Fall verpassen  aus dem Schlaf, noch bevor ich sie landen kann. Mist, aber real ist sowieso viel besser, also los. Schon 3 Uhr 50 warten drei Besessene vor der Tür. Wir sitzen kaum im Auto Richtung Hahn, da wirft jemand die Frage auf, ob wir über Frankfurt und A3 oder gleich über die A66 fahren? Ich denk mir ist doch egal (die Strecke ist eh gleich lang), Sven ist für die A3, Michael enthält sich und Knut nimmt die 66er. Dass diese profane Frage noch herausragende Bedeutung erlangen sollte, erfahren wir eine halbe Stunde später als sich vier unserer Freunde melden. Sie stehen dummerweise auf der A3 kurz hinter einem verunglückten Schwerlasttransporter, welcher alle Spuren blockiert  kein Vorbeikommen.

Sch&.! Trotzdem sind wir noch optimistisch, denn der Flug geht erst um sieben von Hahn. Es ist also noch Zeit für die Polizei, den Verkehr vorbei zu leiten und den Weg ins Fischerglück frei zu geben. Immer wieder kontaktieren wir auf unserer Fahrt zum Flughafen die Zurückgebliebenen, aber nix bewegt sich  oje, jetzt wirds langsam eng. Am Flughafen angekommen können wir feststellen, dass alle anderen gut angekommen sind. Als aber das Boarding nach Torp geöffnet wird, ist uns klar dass wir wohl diesmal ohne die markigen Sprüche von Markus, die Witze von Andreas, die entspannte Art von Peter und das Know-How von Robert auskommen müssen.

Das fängt ja toll an! Uns und sie tröstet, dass unser Club ja mehr als zwölf Mitglieder hat und es noch eine andere Heartland-Tour an diesem Wochenende gibt, ins Elsass nämlich, an welcher sie noch teilnehmen können.

Trotz harter Konkurrenz kam Ralf beim Einchecken mit seinem Weidenkorb als Handgepäck am authentischsten rüber. Nur die Security fand seine Fliegensammlung, seine gezogenen Vorfächer und seinen Clipper nicht so ganz witzig und so musste er nochmal umpacken. Dagegen hatte jeder von uns zwei Flaschen Wein mit in der Kabine!

Ohne weitere grössere Turbulenzen ging der Flug ruck-zuck vorbei

und wir können bereits kurz nach neun unseren ersten Pölser (Hotdog wir er nur in Skandinavien oder bei IKEA zu bekommen ist) in der Flughafenhalle verdrücken. Selbst hier kann man schon Seeluft (und die Mefos) schnuppern und Ungeduld macht sich langsam bei mir breit. Die anderen können ihren Drang zum Wasser sehr gut überspielen und geben sich entspannt  ich kann das nicht. Außerdem weiß ich, dass auch sie innerlich kochen. Endlich, unser Freund und Guide Tom ist da, um uns abzuholen. Als ich ihn zum ersten Mal sehe, um ihn mit einem Nice to meet you zu begrüssen, antwortet er mir lediglich mit einem leichten aber für ihn markanten Lächeln. Ich kann es nicht richtig einordnen, deutete es aber als Zeichen seiner norwegisch-ruhigen und zurückhaltenden Art.

Mit einem kleinen Bus gings ab zum nächstgelegenen Hafen, wo auch schon unser Taxibãt wartete. Reiner hatte uns zwar auf einen Höllenritt im Speedboot vorbereitet, aber schon die Umrisse der Windbris ließen eher auf eine gemütliche Butterfahrt schließen, die es dann auch wurde.

Unendliche 20 Minuten später legten wir auf unserer Insel an. Bolaerne wurde in der Vergangenheit hauptsächlich militärisch genutzt, wovon noch heute viele Kanonen, Wachtürme und Schiessscharten erinnern. Sie wurde erst kürzlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und wir wohnen in der ehemaligen Kasernenanlage in 4-Bettzimmern mit Doppelstockbetten.

Jetzt hieß es nur noch Zimmer belegen, ins Watzeug springen und die Fliegen fliegen lassen. Aber nix da, es war kurz nach 11 und unser Mittagessen war in Vorbereitung. Rätselnd wie man beim Anblick der Tangfelder und unbefischter Buchten ans Essen denken kann und in Bewunderung wie gut manche aus unserer Gruppe ihre Ungeduld unter Kontrolle hatten, beugte ich mich der Mehrheit. Naja was solls, so hat man wenigstens größere Reserven um bis in die Nacht hinein zu Fischen. Beim Essen gab uns Tom einige erste Tipps, was die Anspannung nicht gerade minderte. Nachdem wir brav abgegessen hatten, wollten Sven und ich gerade in Richtung Wathose aufbrechen da kam abermals große Ernüchterung. Tom schlug vor, uns über die Insel zu guiden und uns alle wichtigen Stellen zu zeigen, zu Fuß und ohne (!!!) Rute. Neiiiiiiiiiiiiiiin, nur gucken und zuhören schaff ich nicht. Meine Frage, ob dies wirklich nötig sei beantwortete er mit No und wieder diesem Lächeln, welches aber diesmal auf mich einen diabolischen Eindruck machte. Nun wollte ich auf keinen Fall riskieren zwar der Erste im Wasser gewesen zu sein aber als Schneider nach Hause zu fahren, nur weil ich mich nicht beherrschen konnte.

Es folgte eine sehr interessante Inselbegehung mit wirklich guten Tipps von Tom und ich gewann wieder Vertrauen zu ihm. Da nun langsam auch der Rest unserer Mannschaft das Kribbeln nicht mehr zurückhalten konnte, haben wir nur die halbe Insel bewandert und kurze Zeit später wurden dann auch endlich die Fliegen gewässert. Natürlich wollte jeder seine Meerforelle fangen, aber allein die Ruhe in einer kleinen Bucht den Tangloppen einzustrippen ist einfach die Reise wert. Am Ende ist eben ein schlechter Tag am Wasser immer noch tausendmal besser als ein guter Tag im Büro.

Das Fischen auf Bolaerne ist sehr abwechslungsreich, von flachen Buchten mit sandigem Untergrund und großen Tangfeldern, über typischen Leopardengrund bis hin zu tief abfallenden Felskanten. In manchen Gräben zwischen den Inseln herrscht eine Strömung wie im Main. Alles also sehr fischverdächtig! Auf Anraten von Tom konzentrierten wir uns am ersten Nachmittag auf die seichten Buchten, denn hier im wärmeren Wasser paarten sich staatliche Exemplare von Borstenwürmern. Sven mit dem ich die meiste Zeit auf Sichtweite von einander fischte, hatte schon nach 10 Minuten die erste Mefo im Drill, leider nicht sehr lange. Aber der Anfang war gemacht und voller Optimismus hangelten wir uns von Bucht zu Bucht. Leider war es doch nicht so einfach und obwohl wir das Wasser durchkämmten, hatten wir erstmal keine weiteren Bisse. Sven sah noch eine große Silberne an einem steil abfallenden Felsen und ein Plattfisch hat seinen Streamer bis vor die Füße verfolgt. Plattfisch auf Fliege?

Ja, auf Bolaerne mit der richtigen Technik (ganz langsam einzupfen) relativ einfach zu fangen. Sieht schon witzig aus, wenn so ein fliegender Teppich hinter dem Streamer auftaucht und sein kleines Maul aufreißt.

Zum Abendbrot haben sich dann alle Heartlander wieder versammelt. Die Ausbeute war noch verbesserungswürdig.

Torsten hatte gleich in der großen Bucht vor unserem Quartier eine schöne Meerforelle auf einen weißen Deceiver gefangen.

Auch Reiner hatte seinen Heimvorteil (welchen eigentlich auch Olli hatte) ausgenutzt und eine Salmo Trutta Trutta gelandet und released. Alle anderen gingen bis dahin leer aus

(von kleinen Fischen wie Knurrhähnen und Seeskorpionen mal abgesehen). Die erste Ernüchterung machte sich breit. Zum Glück gabs Lachs zum Abendbrot und Tom saß mit am Tisch. In seinem nie enden wollenden Optimismus baute er uns wieder auf, denn jetzt kam seiner Meinung nach die allerbeste der vielen sehr guten Tageszeiten um eine Meerforelle an den Haken zu bekommen. Wie immer beschloss er seine Ausführungen mit Now they take, You will catch und seinem Lächeln welches diesmal sagte, dass wir nicht ohne Fisch zu Bett gehen. Also stand die Mannschaft kurze Zeit später wieder hochmotiviert im Salz und Tom lag 100%ig richtig, schon nach zehn Minuten hatte Sven seine zweite Meerforelle in seinem Leben im Drill, diesmal war sie größer, nur diesmal eben auch nicht für sehr lange. Entgegen seinen Wertvorstellungen wechselte er dann doch auf Haken mit Widerhaken, ich kann ihn verstehen. Egal, der Anfang war wieder mal gemacht. Ich glaube zwar nicht an die Duplizität der Ereignisse, aber was sich in den folgenden Stunden bei Sven und mir abspielte, ähnelte doch sehr den Nachmittagsstunden. Kilometerweise haben wir die verschiedensten Fliegen mit unterschiedlichsten Schnüren in allen möglichen Gewässertiefen eingestrippt aber es tat sich nix. War es vielleicht doch nicht die Beste der vielen guten Zeiten? Sollte das Lächeln Toms vielleicht doch bedeuten, dass er uns Greenhorns mal ordentlich was vom Pferd erzählt hat, um die heimischen Fischbestände zu schonen?

Vollkommen nebensächlich bei dem Sonnenuntergang den wir dann bei norwegischen Premium-Pils (bei dem Preis musste es das Beste sein) von einem der vielen Felsen mit Blick auf ein Seehundpärchen erleben durften. Auf dem Rückweg zum Quartier zeichneten sich schon von weitem die Silhouetten der Anderen vorm Licht des Gemeinschaftsraumes ab. Verständlich, die haben wohl eher als wir aufgegeben. Wir sind stolz bei dem schlechten Beißverhalten so lange durchgehalten zu haben. Doch irgendwas stimmt an den Umrissen nicht, da haben Leute Fische in der Hand die beim Näherkommen verdächtig nach Salmoniden aussehen und sich schließlich als schöne Meerforellen in den Händen von  wie sollte es anders sein  Reiner und Torsten entpuppen. Was machen die nur anders? Naja, zum Glück spielten Olli, Knut, Michael, Ralf, Sven und ich in einer Liga, denn wir alle hatten keinen vernünftigen Fisch gefangen. Trotzdem war die Stimmung super (kommts beim Fischen vielleicht gar nicht auf die Fische an?)! Obwohl es schon mitten in der Nacht war, wurden die Pläne für den nächsten Tag geschmiedet, denn Smiling Tom versicherte uns, dass die meisten großen Seatrouts am frühen Morgen gefangen werden, am besten noch in der Dunkelheit. Diese Chance wollten wir auf keinen Fall verpassen. Trotz totaler Übermüdung (wir waren ja schon seit halb vier auf den Beinen) erschien Sven und mir 4 Uhr 30 als beste Zeit aufzustehen, um noch vor allen anderen das Silber der Meere anzulanden. Pünktlich schellt der Wecker. Jetzt bloß niemanden außer Sven in der 4-Bett Kajüte aus dem wohlverdienten Schlaf holen. Aber gerade er zeigt sich resistent gegen jedweden Weckversuch und murmelt, dass er Schlaf bräuchte. Ich versuche ihn zwar zu überzeugen, dass es Sand unter den Filzsohlen ist, was er am dringendsten bräuchte, aber er bleibt wie tot liegen. Auch gut, hab ich halt die Insel für mich alleine. Denkste, gleich in der ersten (und besten) Bucht die ich ansteuere, stehen Olli und Reiner, allem Anschein nach auch schon länger. Meine Müdigkeit unterdrückend frage ich sie, ob sie auch nicht schlafen können& Zusammen fischen wir noch andere Stellen der Insel an der Nordküste mit dem Gesicht zum Wind ab, es ist saukalt und bis auf einen Nachläufer, der Olli wieder auf Betriebstemperatur bringt, tut sich nicht das Geringste. Reiner und mir vertreibt ein kleiner Schluck aus seinem Flachmann die Kälte, außerdem soll er Glück bringen. Ich kanns gebrauchen, seit 14 Stunden kein Biss.

Zum Glück ist jetzt erstmal Frühstückszeit um den Akku wie zu laden. Und wie man den hier aufladen kann, Spiegeleier, gegrillter Speck, Käse mit Marmelade aufs Brot, Fisch und Wurst. Kein Schicki-Micki mit Bircher-Müsli und Melonenbällchen auf der Fressgass. In Norge gibt ein Frühstück Kraft und verursacht kein Erdrutsch im Portemonaie! Hier stossen auch die Ausgeschlafenen wieder zu uns. Sven erzählt mir dass er dummerweise nicht rechtzeitig vor Beginn des Schnarchkonzertes eingeschlafen ist. Er ist dann überhaupt erst um vier eingeschlafen, weshalb er dann auch nicht gleich 4:30 wieder aufstehen wollte. Nix mehr los mit den jungen Leuten!

Tom kommt auch ein wenig unausgeschlafen an den Tisch (er hat wohl gestern noch ein wenig gefeiert). Gleichwohl wird er nicht müde uns zu sagen, dass gerade eine sehr gute Zeit anfängt, denn die Flut läuft auf und die erreicht ihren Höhepunkt um die Mittagszeit.

Mit der Flut kommt das Futter für die Forellen und damit auch die Mefos selbst. Wir meinen das klingt logisch, er nickt zustimmend und strahlt über beide Backen! Trotzdem löchern wir ihn weiter mit Fragen, wie wir es jetzt am besten anstellen und welche Fliegen wir nehmen müssen. Kommentarlos öffnet er seine grosse Fliegenbox und zeigt seine Geheimwaffen. Komisch, sehen aus wie unsere. Auf meine Frage welche denn die beste Fliege jetzt und hier sei, antwortet er they all catch was er wiederum mit einem versichernden Lächeln unterstreicht. Was will er uns nur sagen?

Der Wind frischt ein wenig auf, die Flut kommt und die Temperaturen steigen. Alle machen sich auf um nochmal kurz auf unserer Insel zu fischen, bevor es mittags auf zwei in der Nähe liegende Inseln gehen soll. Diesmal versuche ich es mit einem kleinen grauen Maraboustreamer an der Südküste. Der Wind hat auch die Stellung gewechselt, sodass er hier wieder direkt ins Gesicht bläst, was auch gleich ein kleines Getüddel am Ende der Runningline verursacht. Ich werfe nochmal, um dieses dann in aller Ruhe zu entwirren während mein Streamerchen ein wenig absinken kann. Unerfreulicherweise dauert die ganze Aktion länger als erwartet, sodass ich mich entschließe doch einzustrippen, bevor sich mein Haken an einem Felsen festsetzt. Dreimal strippen durfte ich, dann ist Schluss und meine neue Xi2 verbeugt sich das erste Mal in ihrem Leben ehrfürchtig! Endlich, nach ca. 16 Stunden fischen nun endlich der erste Biss und was für einer! Plötzlich bin ich wieder hellwach und denke über alle möglichen Eventualitäten nach. Jetzt bloß nicht den Kopf verlieren, es kann ja eigentlich nix mehr schief gehen. Dies denke ich noch so und schon zieht mir der Fisch ordentlich Schnur aus der Hand und die vorab beschriebene Perücke hängt am ersten Führungsring! Verdammt, die Rute im Halbkreis und die Schnur singt im Wind. In solchen Momenten hab ich normalerweise immer Pech und in Gedanken knote ich schon die nächste Fliege an. Aber mein Gegner stellt sich mutig dem Kampf und schwimmt wieder gerade auf mich zu. Puh, Glück gehabt. Nach einem tollen Infight im 10-Meter-Raum sehe ich zum ersten Mal die silberne Flanke einer ansehnlichen Meerforelle, welcher ich schon seit langer Zeit vergebens nachstelle. Was für ein Gefühl. Mit Hilfe von Torsten kann ich kurze Zeit später die erste Salzwassertrutte meines Lebens in den Händen halten. Ihre Merkmale: ein klein wenig über 60cm und wunderschön! Der Respekt vor diesem Tier gebietet mir, sie unbeschadet in ihre Welt zurückkehren zu lassen. Außerdem hoffe ich, sie erzählt unter Wasser von meiner Gutmütigkeit, sodass in Zukunft mehr Fische beherzt zugreifen, wenn ich wieder mal am Ufer steh.

Von nun an fische ich total entspannt. Mein Ziel  einen tollen Urlaub zu haben und mit etwas Glück eine Meerforelle zu fangen  hat sich schon jetzt mehr als erfüllt. Das Einzige was man noch erhoffen kann ist, dass auch die anderen ihren Fisch noch fangen& Leider Gottes stellt sich beim Mittagessen heraus, dass an diesem Vormittag, von meinem Fang abgesehen, nicht viel ging. Tom freut sich trotzdem mit mir über mein Glück auf seine bekannte Art und Weise. Bedauerlicherweise verbessert sich auch das Wetter zusehends. Strahlend blauer Himmel, der Wind nimmt ab und die Sonne knallt, was nicht gerade Idealbedingungen zum Fischen sind, aber mal abwarten.

Gestärkt steigen Sven, Knut, Olli und ich in unser Taxi zur Vestre Bolaerne, zur westlichen Insel also. Die anderen haben sich entschieden, mit Tom Midtre Bolaerne unsicher zu machen. Diesmal ist es wirklich ein Schnellboot und wir haben Glück dass die See ruhig wie in der Badewanne vor uns liegt. In nur 5 Minuten sind wir rüber gejettet und abermals erwarten uns unbekannte Buchten, Rinnen und Felsformationen. Das Wasser ist glasklar und man kann locker 5 Meter in die Tiefe sehen, nur dort fehlt von Fischen jede Spur. Dessen ungeachtet versucht sich Sven nur wenig später nochmal im Drill einer Meerforelle. Diesmal hat er mehr Dusel als am ersten Tag und landet genau wie ich ein paar Stunden vorher die erste Meerforelle seines Lebens, welche er auch mit Stolz released. Weniger Glück hat Olli, der ja schon insgesamt 4 Bolaerne-Tage auf dem Buckel hat, denn er war ja schon mal im November hier. Wieder rasen zwei schöne Silberbarren seinem Streamer bis zur Uferkante hinterher ohne ihr Maul auch nur einen Millimeter zu öffnen. Zumindest hat er wahrscheinlich die meisten Fische im Wasser anlocken können und gesehen. An einer Tiefen Strömungskante experimentiere ich derweil ein wenig mit einem Teeny in Grundnähe und hab schon bald meinen ersten Plattfisch an der Fliegenrute gefangen. Danach tut sich jedoch nichts mehr und auf dem Rückweg zur Taxi-Anlegestelle, sehen wir Olli in der Sonne liegen und schlafen, richtiger Urlaub eben. Zurück gehts wieder mit 100 Sachen über die offene See, jetzt heißt es nochmal alles festhalten. Nur diesmal donnern und springen wir über die Bugwellen eines vorausfahrenden Bootes. Olli zieht es dann doch vor, lieber sich selbst als seine Mütze festzuhalten, was diese gleich zum Anlass nimmt, sich von seinem Kopf zu verabschieden. Sie schlägt noch einen Salto im Windschatten des Führerstandes und zischt dann mit dem Fahrwind übers Heck ins Nirwana. Im Vergleich dazu war allerdings der Verlust der anderen Gruppe erheblicher, die kamen nämlich nur zu dritt wieder. Ralf war trotz Suche spurlos von der Midtre Insel verschwunden. Das kann doch nicht wahr sein, am ersten Tag haben wir schon 4 unserer Freunde verloren und jetzt war schon der nächste weg. Sollte er womöglich schon selbst zurück geschwommen sein? Nein, irgendwann klingelt Ollis Telefon und der Verlorene wundert sich, wo alle hin sind.

Also nochmal ein Boot anheuern und eine halbe Stunde später steht Ralf überglücklich mit seiner ersten Sjööret (wie die Mefos hier oben genannt werden) und dem Namensschild eines Bootes Camilla vor uns. Es wurde ein langes Abendbrot, bei dem wir uns viel zu erzählen hatten.

Natürlich sind wir danach noch einmal losgezogen. Tom wies uns auf der glatten See auf unscheinbare Ringe hin, welche wohl auf Meerforellen beim Abendmahl kurz unter der Oberfläche hindeuten sollten. Den meisten von uns blieben sie aber verborgen. Nur die Möwen die ab und zu ins Wasser stürzten verrieten, dass die Paarung der Borstenwürmer in vollem Gange war. Sven und ich fangen in der Abenddämmerung noch ein paar kleinere, aber bildschön gezeichnete Dorsche an einer steilen Felskante an der es vor unseren Füssen 7 Meter in die Tiefe geht. Gemütlich bei Rotwein und Norge-Premiumpils beschließen wir den Abend eines traumhaften Tages. Allerdings setzt Knut noch einen drauf als er mitten in der Nacht hochzufrieden mit einer großen, rotgepunkteten Scholle von seinem unermüdlichen Einsatz zurückkehrt. Einfach ein perfekter Tag! Nur Michael aus unserem Zimmer hat bis jetzt noch nicht seinen erhofften Fisch gefangen. Dabei hat er von uns noch die meiste Salzwasser-Erfahrung, aber eben eher auf nicht so heikle Fische wie Bones, Permits und Jacks in Venezuela ;-)

An unserem letzten vollen Tag auf Bolaerne ist Entspannung angesagt. Heute steht niemand mehr kurz nach 4 in den kalten Fluten und niemand hetzt vom Frühstück in die Wathosen. Die relaxte Art der Norweger überträgt sich langsam auf uns. Wir genießen es.
Sven und ich versuchen nochmal, bei strahlendem Sonnenschein ein paar Plattfische zu überlisten. Neben ein paar Nachläufern fängt Sven eine Scholle, bevor wir zusammen mit Tom Holz holen um ein ordentliches Feuer fürs Mittagessen anzufachen.

Denn heute ist Selbstverpflegung angesagt und Knut & Torsten zaubern uns aus den gefangen Meerforellen und Plattfischen mit ein wenig Salz und Lemon Pepper ein vorzügliches Mahl.

Dazu ein 2004er Rivaner von Reiner und unser Glück ist perfekt! Auch Tom lächelt zufrieden. Dabei können wir beobachten wie in ein paar norwegische Jungs kopfüber ins 6 Grad warme Wasser springen. Der Sommer fängt hier halt ein wenig eher an.
Am späten Nachmittag ziehen wir ein letztes Mal los um vielleicht doch noch die ein oder andere grosse Salmo Trutta Trutta zu landen. Ich stehe ganz allein am Südlichen Zipfel unserer Insel und klopfe mit einer dicken schwarzen Minnow Shrimp die tiefen Felskanten ab.

Ein dumpfer Schlag in der Rute fährt meinen Adrenalinspiegel nochmal in die Höhe. Super, der Fisch zieht ab in die Tiefe und liefert einen spannenden Drill zwischen den tangbewachsenen Felsbrocken. Ein rötlich gefärbter Tangdorsch mit makelloser Zeichnung und 62cm Länge lässt sich ein paar Minuten später von mir mit der Hand landen und zurücksetzen.

Kurz danach noch einer mit 45cm. Während ich diesen zurücksetze, erschreckt mich ein zischend-pfeifendes Geräusch. Im Augenwinkel sehe ich noch etwas großes Schwarzes zirka 30 Meter von mir entfernt von der Wasseroberfläche verschwinden. Kurz glaube ich an einen Seehund bevor direkt vor mir ein Schweinswalpärchen buckelt und mit zwei kleinen Fontainen ausatmet. Es ist überhaupt das erste Mal, dass ich Wale mit eigenen Augen sehe (wenn man mal von SeaWorld in Orlando absieht, was kein Vergleich ist). Immer wieder auftauchend ziehen sie durch den schmalen Kanal neben mir an der Insel vorbei Richtung Süden, bis ich sie nicht mehr sehen kann. Ein grandioses Schauspiel und ein unvergesslicher Abschied von Bolaerne vor der versinkenden Sonne. Es war für mich das mit Abstand beeindruckendste Erlebnis meines Fliegenfischerlebens und allein dafür hätte sich die Reise hier her gelohnt.

Doch nicht nur deshalb wird mir diese Reise immer im Gedächtnis bleiben. Vor allem die tolle Kameradschaft unter Freunden, welche bodenständig unsere Reise zu einem Erlebnis machten, werde ich nicht vergessen. Nochmals ein großes Dankeschön an Reiner und Olli für die reibungslose Organisation, ihr habt was gut bei uns!

Achso, eins bleibt noch anzufügen: Tom ist ein erstklassiger Guide!!! Auch wenn er mich manchmal in die Verzweiflung trieb, war er uns doch immer ein guter Freund, witzig, hilfsbereit und ehrlich. Dass er jeden Meter der Küstenlinie hier wie seine Westentasche kennt, hilft ebenfalls ungemein.
Nur sein vielsagendes Lächeln auf all unsere Fragen kann ich immer noch nicht deuten. Vielleicht heißt es einfach: Nicht soviel Fragen stellen und analysieren, sondern einfach fischen und genießen. Denn zum Glück ist beim Fliegenfischen noch viel dem Zufall überlassen und die 100%ige Anleitung zum Fang eines Fisches hat kein Guide der Welt. Hoffentlich bleibt das so!

Skit Fiske!
Nico.

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