Das Auf und Ab – Lachsfischen am Numedal HFFlogo
Bericht von Nico Popp

Das kann doch nicht so schwer sein. Isses aber doch! Ein Blick zurück verrät es. Als Reiner und Oliver in 2003 das erste Mal ins Land der Elche und Lachse reisten, um den Boden für weitere Besuch der Heartlands zu bereiten, waren sie bestimmt ähnlich optimistisch wie ich im August 2007. Was folgte waren Jahre der Ernüchterung und des Badengehens (im wahrsten Sinne des Wortes). 2003 – 2006 waren keine Lachsjahre, ab und zu war mal ein Meerforellenjahr dazwischen. Alle die sich während dieser Zeit zu den zwein gesellten, machten ganz ähnliche Erfahrungen mit dem wunderschönen aber harten Wasser des Numedals in Südnorwegen. Aufgrund umfangreicher Berichterstattung durch Reiner ist dies alles in verschiedenen Ausgaben des „Fliegenfischer“ nachzulesen. Tolle ehrliche Berichte von der Lachsfischerei in einmaliger Natur. Leider wird ja heutzutage lieber von Rekordfischen, Massenfängen und von Omas berichtet, die auf 1000$-Tagestrips einen durch Teaser angelockten Schwertfisch mit der Fliege fangen, der 5 mal schwerer ist als sie selbst...

Zurück zum wahren Fliegenfischerleben. Da standen sie nun, die tapferen Numedalfischer, die über Jahre hinweg ihre Fliegen wässerten, alles ausprobierten und doch nur mit leeren Händen dastanden. Manchem kann man keinen Vorwurf machen, waren sie doch nur zum Fliegentesten angereist und selbst wenn wirklich dicke Brocken sich aus Versehen an der Fliege verhakten, wurden selbige noch im Drill released.
Es brauchte einen Mann der Tat, diesen Bann zu brechen. Ich war das aber nicht, sondern Olli der mit seinem spontanen Alleingang im Herbst 2006 endlich den ersten dicken Salar auf die Schuppen legte. Die Gesamtbilanz der Jahre ist trotzdem ernüchternd, aber durchaus typisch für das Lachsfischen in Norwegen.

Nun ja, allen Warnungen der Erfahrenen zum Trotz war ich überaus optimistisch für meinen ersten Trip ins Brufoss Fiske Center, ich hatte ja 4 Guides dabei. Reiner, Peter, Olli und Tom bringen es zusammen sicher auf ein halbes Jahrhundert an Erfahrungen am grossen Numedalfluss. Ausserdem kann ich ja sowieso am besten fischen, hab die schönsten Fliegen und das Anfängerglück spielt ja auch eine Gewisse Rolle. Also zeig ich denen Mal, wie es geht.
Die Vorbereitungen vielen bei mir relativ kurz und knapp aus. Zwei Lachsruten (Sage European #10- 15ft und #8 – 12.6ft) und eine endlich wasserdichte Wathose gekauft und sonst einfach alles gemacht, was auf Peters detaillierten „Nicht-Vergessen-Liste“ stand. Wurfübungen machte ich vorher keine und Fliegen konnte ich auch nur 50 Stück binden, was für meine Verhältnisse nichts ist. Naja, Distanz beim Werfen wird scon nicht so wichtig sein und das Bindezeug hab ich einfach mitgenommen. Normalerweise bereite ich mich ja akribisch vor, doch diesmal kam was dazwischen. Eine Woche vor Abflug war meine Hochzeit mit Mandy, der besten Frau die man sich wünschen kann und das ist sie nicht nur, weil sie mich sofort nach der Flitterwoche für 10 Tage nach Norge schickte.

Nach kurzer Anreise am Abend des 19. August und Bezugs unserer Holzhütte sowie eines kleinen Willkommens-Umtrunks mit Tom Tveitan, sollte es am nächsten Morgen so früh wie möglich losgehen. Arne, welcher neben dem Camp auch eine kleine Lachshütte betreibt, kommt um 8, sodass wir 8h30 unsere Karten haben sollten und kurz darauf im Wasser stehen müssten. Dies ist natürlich alles nach deutscher Zeitrechnung, aufgrund der norwegischen Gelassenheit gibt es einen kleinen Zeitunterschied. Ich möchte hier nicht in die einzelnen Faktoren dieser Zeitumrechnung eingehen. Jedenfalls gings Mittag endlich Richtung Fluss...

Ich fing an einer vielversprechenden Stelle direkt am Camp unter dem grossen Wasserfall („Brufossen“ genannt) an. Hinzu kam, dass hier keine Bäume im Weg stehen, die meine nicht vorhandenen werferischen Fähigkeiten hätten austesten können. Also, Allys Shrimp ans Vorfach und raus damit. Leider meinte „raus“ beim ersten Wurf eine Weite von gerade mal 15 Metern und bei weiteren Würfen hatte ich Knoten im Vorfach und einige zerstörte Fliegen durch Aufsetzer beim Rückschwung zu vermelden. Hätte ich vielleicht doch Trockenübungen mit der Zweihand machen sollen? Aber ich hatte mir doch alle Mortensen DVDs angeschaut und war mir sicher den „Perfect Cast“ zu beherrschen. Meine Würfe in den ersten beiden Tagen hatten nun aber auch garnichts mit "Distance & Delicacy" zu tun. Egal, mir gings ja eh ums Fangen und nicht ums Werfen. Und so kam es mir auch recht, dass sich nach nur 10 Minuten ein Sportler von Lachs hinter einem grossen Stein gerade mal 10 Meter von mir in die Luft schraubt. Was für ein Glück und das gleich am ersten Tag, die halbe Miete hab ich! Er war in Reichweite und braucht nur noch meine Fliege zu nehmen. Ganz egal, selbst wenn ich ihn eine Stunde anwerfen müsste und meine halbe Fliegendose präsentieren müsste, den fang ich! Lange Rede, kurzer Sinn: ich verbrachte den ganzen Nachmittag an diesem Stein und präsentierte meine ganze Fliegendose sowie alle möglichen Sinkgeschwindigkeiten an Schussköpfen. Es war mal wieder zum Haare ausraufen. Immer wenn ich gerade aufgeben wollte, sprang er oder einer seiner Freunde ein weiteres mal an der gleichen Stelle, nur um mich am Platz zu halten. Sie hatten mich unter Kontrolle...

Auch am ganzen Abend hatte ich keinen einzigen Kontakt zu einem der vielen grossen Fische im Fluss. Auch die anderen machten so weiter, wie sie in den letzten Jahren aufgehört hatten: kein Kontakt bei Peter, kleinere „Anfasser“ bei Olli und der, der die Lachsfliegen nur testen will, konnte einen Fisch der sich versehentlich gehakt hatte, doch noch im Drill abschütteln. Ein wenig enttäuscht war ich ja schon, aber einen Tag als Schneider nach Hause zu gehen, ist beim Lachsfischen immer noch OK. Der nächste Morgen baute mich auch gleich wieder auf, denn eine Stunde nach Beginn des Fischens hatte ich meinen ersten Lachsbiss am Ende einer Drift in ungefährt hüfttiefem Wasser. Dummerweise hatte ich auch meine Runningline fest in der linken Hand, welche zirka 50 cm nach vorne gezogen wurde. Das wars, nicht mehr. Dabei hatte ich mir fest vorgenommen, bei jedem Zupfer sofort Schnur zu geben...

Danach gehts mit mir erstmal nur noch abwärts, denn es passiert nicht mehr, gar nichts. Jeden Tag 12 Stunden fischen, tausende Würfe, unzählige Driften – Nichts. Permanent denke ich daran was falsch läuft. Ich schiebe es zunächst auf die falschen Fliegen, wechsle jede halbe Stunde und versuche in nächtlichen Bindesessions neue Muster in meine Dose zu bringen, vergebens.

Auch bei dem Fliegentester gehts rapide abwärts, ein Grilse von ca. 60cm länge und 2kg verhakt sich irgendwann in der Mitte der Woche und lässt sich auch im Drill nicht mehr releasen.

Olli hat weiter Bisse die nicht hängen bleiben und Peter durchkämmt genau wie ich das Wasser ohne einen Kontakt. Mir wird langsam klar, warum die meisten Norweger so introvertierte Menschen sind. Aus mir wird mit jedem Tag der ohne irgendeinen Kontakt zum Fisch zu Ende geht, ein anderer Mensch. Aus der ersten Ernüchterung wird Enttäuschung. Ich rede nicht mehr so viel (worüber auch, passiert ja nix den ganzen Tag), denke nur darüber nach, wo der Haken steckt (ein Fischmaul kann ich ausschliessen...). Die anderen können damit besser umgehen, sind es wohl schon gewöhnt. Ich bin zwar enttäuscht, werde dadurch aber auch entspannter. Ich setze oder lege mich nun oft ans Ufer, schaue auf den Fluss und werde langsam zum Norweger ;-) Reiner redet jetzt auch weniger als am Anfang, nur Ollis Laune scheint gegen Nichtsfangen resistent zu sein. Zum Glück ist er sich auch nicht zu Schade, mir zu sagen, dass ich mich wieder zusammenreissen muss.

Ein kleiner Lichtblick bleibt, am Samstag gehts in die gelbe Zone, nach Fossa Ost. Dort wurden bisher jedes Jahr die grössten Lachse gefangen. Doch mit dem was dort passiert, hatten wir nicht gerechnet! Wir entschliessen uns, alle vier auf einer Seite des grossen Flusses hintereinander zu fischen. Die Strecke vor uns ist frei. Als Erster geht Olli ins Wasser, 30 Meter dahinter Reiner, dann Peter und zum Schluss ich. Eigentlich bin ich nicht wirklich der Schlussmann denn kurz hinter mir hüpft noch ein Bär von einem Norweger ins Wasser. Wir nannten ihn Johnny, the Big.

Was soll ich sagen, nachdem wir vier das Wasser vor Johnny durchkämmten, verbeugt sich seine Rute nach nicht einmal 10 Würfen ehrfürchtig. Zehn Minuten später erschlägt er einen tollen Lachs mit einem Stein.

Seine Fliege sieht genauso aus wie unsere. Und als ob das alles nicht schon Demütigung genug ist, beantwortet er meine Frage, worin sein Geheimnis läge, lapidar mit „Distance is everything“! In der Tat wirft er locker 10 Meter weiter als wir, doch daran können wir kurzfristig nichts ändern. Bei mir wird nun aus Enttäuschung Resignation...

Am nächsten Morgen gehts in die Rote Zone. Wie die Gelbe ist sie auch eine Spezielstrecke, die in ihren Pools gute Fische hält. Und wenn man weit genug hinauswatet, springen diese auch in unserer Wurfweite. Olli schafft es sogar, die mit einer bestimmten Fliege auf Ansage springen zu lassen, tolles Schauspiel. Trotzdem haben wir weiterhin kein Kontakt. Leider muss Peter an diesem Tag wieder abfliegen, sodass unsere eh schon kleinen Chancen auf einen Lachs, um weitere 25% sinken. Olli bringt ihn zum Flughafen und stösst später in der Gelben Zone wieder zu uns. Kann es schlimmer werden? Klar doch! Wieder Gelbe Zone, wieder ein Norweger, diesmal jedoch vor uns. Er braucht 20 Würfe bis sein Fisch hängt (muss wohl ein Anfängernorweger sein). Wieder ein sehr schöner Fisch. Auch er wirft weiter als wir.

Reiner und ich fächern hinter ihm das Wasser ab, nur um sicher zu gehen, dass er keinen Lachs übersehen hat. Nein, er hat ganze Arbeit geleistet. Es scheint kein weiterer Fisch da zu sein. Ich hab keinen Bock mehr. Das ist einfach nichts für mich. Am Ufer sitzend muss ich an Olli denken, wie er Falkus zitiert: "Dont let desaster find you unprepared". Damals hab ich noch gelacht. Jetzt muss ich eingestehen, dass ich auf ein Desaster wirklich nicht vorbereitet war und deshalb nun auch ziemlich am Boden bin. Vollkommen resigniert binde ich eine 14er Prawu an mein Vorfach und lass sie am Ufer sitzend über die Wasseroberfläche schlittern. Das bringt dutzende Attacken von kleinen Parrs, aber nicht mal die bleiben hängen...Ist es vielleicht Zeit abzureisen?

Reiner lässt sich absolut nichts anmerken und fischt scheinbar unbeeindruckt weiter. Es dämmert langsam. Einmal geh ich noch rein, konzentriere mich aber mehr aufs Werfen als aufs Fischen. Während ich fische, fachsimpel ich mit Olli, der hinter mir am Ufer steht über die Rute des Norwegers und warum der damit wohl so gut werfen konnte. Diese Unterhaltung war enorm wichtig, denn sie hielt mich davon ab, überhastet anzuschlagen, als ich meinen zweiten Lachsbiss bekomme. Irgendwann im Gespräch merke ich wie etwas Schnur aus meiner linken Hand gleitet, nehmen es aber nur im Unterbewusstsein wahr. Kurz dana ist meine Rute kreisrund und der Tanz beginnt. Ich weiss nicht mehr wieviel Zeit genau verging. Ich weiss nur dass es ein toller Drill war, den Olli mit einem gekonnten Schwanzwurzelgriff beendet.

Ein wunderschöner leicht angebräunter Lachs von 86cm Länge liegt kurz in meinen Händen, bevor ich ihn vorsichtig in sein Element zurücksetze. Ich zitterte am ganzen Körper. Toll, dass Reiner und Olli sich mit mir freuen. Es wurde noch ein langer Abend auf der Hütte, bei dem wir endlich den verdammten Schampus auf den ersten Lachs köpfen konnten.

Im Nachhinein war dieser Fang eines der schönsten Erlebnisse meines bisherigen Fliegenfischerlebens, bestimmt auch deshalb, weil die Tage zuvor soviel gefordert haben. Ist schon Wahnsinn. Es waren nur diese 10 Minuten von mehr als 10.000 Minuten die wir am Numedal waren, die den Unterschied machten. Beim Lachsangeln scheinen eben doch Himmel und Hölle dicht beieinander zu liegen. Warum ich den Lachs zurücksetzte? Die Population der Lachse, die auf Nicht-Norweger reinzufallen scheint, ist offensichtlich durch die Netzfischer in den Mündungsgebieten kurz vor dem Aussterben, sonst hätten wir ja mehr gefangen. Und da wir nicht auf die Netzfischer hoffen können, sollte der Klügere nachgeben.

Die Dinge schienen sich zu drehen, denn der darauffolgende Tag brachte noch einige schöne Ereignisse. Zunächst konnte Olli einen tollen Fisch im „Thai-Side“ Pool haken, der ihm auch gleich einige Meter Runningline von der Rolle riss. Schade, dass sich der Fisch irgendwann im Drill aus dem Wasser wuchtete und so den Haken abschütteln konnte.

Dem Olli wars egal, er hat sich über den Drill genauso gefreut wie ich über meinen Fisch. Wie gesagt, seine Laune ist resistent gegen Nichtfangen. Übrigens biss der Fisch auf die Fliege, mit der Olli bei seinem Alleingang den Lachs gefangen hatte – ein von Reiner gebundener GP, Jahrgang 2003. So motiviert fischten wir zu dritt weiter die Thai-Side ab, bis Tom am Abend zu uns stiess und noch ein paar Würfe machen wollte, während wir drei durchgefroren zur Hütte zurück liefen.

Tom kam eine halbe Stunde später nach und zwar mit einem Grinsen von einem Ohr zum anderen und einem super Lachs im Arm. Die Abendessen der nächsten 2 Tage waren gesichert. Einmal gabs rohen Lachs, das andere Mal Lachs gegrillt und als Suppe. Tom, nochmal vielen Dank für die Zubereitung dieser kulinarischen Highlights!

An unserem letzten Tag fischten wir in der "Deep Wading Zone", die sehr langsam fliesst und in der man super mit gut spielenden Fliegen aus Marabou fischen kann. Tom und ich hatten jeweils nochmal einen Fisch für zwei Sekunden im Drill und ansonsten gabs noch ein paar Bisse. Alles in allem sicherlich ein versöhnlicher Abschied von diesem Riesenfluss.

Es bleibt festzuhalten, dass wir einen tollen Urlaub mit super Gastfreundschaft von Arne und Tom in einer grandiosen Natur erlebten. Dass ich zwischendurch einen echten Durchhänger hatte, gehört wohl zum Lachsfischen dazu. Umso schöner ist es dann aber, endlich diesen König der Fische zu haken oder sogar zu landen. So etwas entschädigt allemal für die unendlichen Versuch davor. Würde ich es nochmal machen? Auf jeden Fall! Ich würde aber nicht mehr lachen wenn mir jemand sagt „dont let desaster find you unprepared“.

Oder wie die Norweger sagen, wenns mal wieder nicht läuft: „Shit Fiske!“
Nico.

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